Hunderte Häuser, tausende Scherben – Bericht von der Kampagne #prospekt2022_2 in Nordostrumänien

Wir brauchen Allrad! A. Kovac und A. Dittes auf der Suche nach neuen Fundplätzen.
Wir brauchen Allrad! A. Kovac und A. Dittes auf der Suche nach neuen Fundplätzen.

Ein langer Atem zahlt sich aus – Cucuteni in der Moldau jetzt als DFG-Projekt!

Bisher waren die Forschungen der UFG-FAU zur Cucuteni- und Precucuteni-Kultur Teil der seit 2015 hauptsächlich in Eigenfinanzierung durchgeführten, breit gefächerten Aktivitäten unseres Institutes in verschiedenen Teilen Rumäniens.  Am 1. Oktober dieses Jahres fiel nun der Startschuss zum neuesten Projekt an unserem Institut: „Siedlungs- und Landschaftsarchäologie im Spätneolithikum und in der Kupferzeit in Ostrumänien“, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dadurch können die Arbeiten in den Kreisen Botoşani und Neamţ endlich auf ein methodisch und personell breiteres und stabileres Fundament gestellt werden.

Kein Erfolg ohne die Kollegen vor Ort

Die Forschungen in Rumänien sind nur möglich aufgrund der intensiven Zusammenarbeit und der Hilfe unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Daher gilt ein unermesslicher Dank unserer Kollegin Dr. Adela Kovac vom Historischen Museum Botoşani, die uns auf dieser Kampagne – wie schon auf so vielen vorher – betreut und unterstützt hat!

Prospektion ist mehr als nur Geophysik

Die geomagnetischen Prospektionen liefern bei geringem Personaleinsatz gute Informationen über die räumliche Struktur der Siedlungen. Feldbegehungen hingegen sollen Informationen über die Datierung, aber auch Nutzung und Bedeutung der einzelnen in der Geomagnetik aufgefundenen Hausbefunde liefern. Sie sind jedoch deutlich personalintensiver; bisher blieb es daher bei einem ersten, vielversprechenden Test im Frühjahr 2019. Im Rahmen des neuen Projektes sind Feldbegehungen nun fester Bestandteil der Feldarbeiten. Der gestiegene Personalbedarf sollte dabei wie geschaffen sein, nach der Covid-Pause wieder größeren Mengen von Studierenden eine erste Ausbildung im Feld zu ermöglichen…

Ein Rundling und eine Megastruktur – Altlasten erledigen

Nachdem im Frühjahr im Kreis Neamţ gearbeitet wurde, waren im Herbst nun das Tal des Baseu und des Sitna an der Reihe. Einer der zentralen Fundplätze war dabei Borolea „Ocul Vacilor“. Die Arbeiten in Borolea begannen schon im Frühjahr 2020, allerdings verhinderten zunächst Covid und 2021 dann der Zusammenbruch unseres Fahrzeugs eine intensivere Beschäftigung mit diesem Fundplatz. In dieser Kampagne gelang nun der Abschluss der Gradiometer-Prospektion – mit spektakulärem Ergebnis! Der Fundplatz entpuppte sich als eine über 6 Hektar große, in zwei konzentrischen Ovalen angelegte, durch „Speichen“ im Innenraum in einzelne Quartiere eingeteilte Siedlung mit mindestens 168 Hausbefunden. Jenseits des Pruth, in der Republik Moldau und der Ukraine sind diese Siedlungen typisch für die Trypillja-Kultur, im Bereich der Cucuteni-Kultur, westlich des Pruth waren sie bislang nicht bekannt.

Kaum weniger eindrucksvoll ist das Ergebnis aus Stăuceni „Holm“. Die Arbeiten hier begannen schon in der Herbstkampagne 2021, die Vegetation verhinderte aber die Begehung der zentralen Teile des Fundplatzes. Diesmal herrschten perfekte Bedingungen – für Magnetik und Feldbegehung – und die Magnetik konnte zum Abschluss gebracht werden. Eher „Cucuteni-typisch“ als Reihensiedlung organisiert, zeigt das Magnetogramm eine außergewöhnlich massive und mehrphasige Befestigung des Platzes. Zwei teilweise doppelt ausgeführte, meterbreite Gräben werden dabei von mehreren schmaleren Gräben begleitet, die vermutlich auf Palisaden zurückzuführen sind. Dies alleine ist zwar schon eindrucksvoll, aber im Cucuteni-Zusammenhang noch nichts Besonderes. Hinzu kommt allerdings ein im Eingangsbereich der Siedlung liegender, immerhin ca. 30x12m großer Gebäudebefund – eine sogenannte „Megastructure“, wie sie ebenfalls bisher nur aus den Gebieten östlich des Pruth bekannt ist.

Durch den Klimawandel erschwert – neue Fundplätze erschließen

Wärend die Feldbegehungen in Stăuceni und Borolea liefen, wurden parallel weiter Fundplätze geomagnetisch prospektiert, um einen Überblick über die gesamte Siedlungskammer zu bekommen. Dies gestaltete sich schwieriger als erwartet, waren doch einige in den Datenbanken verzeichnete Plätze nicht mehr auffindbar, während viele andere noch unter Mais oder Sonnenblumen lagen – durch die enorme Trockenheit dieses Jahres sind die Pflanzen auf dem Acker verdorrt und eine Ernte lohnt sich nicht. Trotzdem konnten fünf weitere Plätze prospektiert werden, von denen insbesondere Hăneşti-Slobozia „Răpa Turcului“ unser näheres Interesse weckte. Dies ist eine deutlich kleinere Siedlung mit kaum zwei Dutzend Häusern, aber ehemals ebenfalls als Kreissegment auf einem Terrassensporn angelegt und mit einem ungewöhnlich großen Gebäude in der Mitte. Folgerichtig wurde dann auch hier eine Feldbegehung durchgeführt.

Im Raster und im Haus – Feldbegehung

Nur dort, wo keine geomagnetischen Hausbefunde, wohl aber noch Oberflächenfunde vorlagen, wurde die Feldbegehung in der klassichen, aber sehr arbeitsintensiven Rastermethode durchgeführt. Hier kann von der Scherbendichte an der Oberfläche dann auf die ehemals vorhandenen – oder halt auch nie da gewesenen – Häuser geschlossen werden. Haupziel war es aber, speziell den Hausbefunden aus der Magnetik datierende Informationen zuweisen zu können. Daher wurden, wenn irgend möglich die einzelnen Häuser per DGPS ausgesteckt und dann speziell in ihrem Umfeld gesammelt. Auf diese Weise konnten beispielsweise in Borolea in wenigen Tagen über 100 Häuser prospektiert werden, ohne erst den ganzen Platz mit einem Raster überziehen und anschließend auch die eher aussagelosen Quadranten in den gebäudefreien Zonen absammeln zu müssen. Nur in den Hangbereichen von Stăuceni konnte auf das Raster nicht verzichtet werden. Die Erosion hat hier bereits alle Häuser zerstört, im Untergrund finden sich aber immer noch die typischen, metertiefen Gruben und an der Oberfläche liegt eine große Menge an Fundmaterial – Karamik, Steinartefakte und Rotlehm. Obwohl mit Zeitlimit und Mindestgröße gearbeitet wurde, war der Fundanfall hier enorm. Nicht nur tausende Keramikscherben, sondern beispielsweise auch mehrere Dutzend Fragmente von Frauen- und Tierstatuetten wurden geborgen. Trotzdem wird der Aussagewert dieser Materialschlacht aber wohl kaum höher ausfallen, als bei der befundzentrierten Sammeltechnik. Negativ zudem: Unsere Studierenden werden von nun an jeden Acker verachten, auf dem nicht wenigstens 15 kg bemalte Feinkeramik pro Grid liegen…

Innendienst und Exkursionen – auch Zutaten einer gelungenen Maßnahme

Neben der von allen geliebten Feldarbeit war natürlich auch Innendienst angesagt. Dankenswerterweise standen hierfür die Räumlichkeiten des Historischen Museums in Botoşani zur Verfügung. Hier konnte damit begonnen werden, die gefundene Keramik zu erfassen und wichtige Einzelfunde per SfM in 3D-Modelle zu überführen. Auch die Interpratation und die Umzeichnungen der Magnetikergebnisse wurden bereits für die rumänischen Kollegen fertiggestellt.

Um den Studierenden auch einen gesamthistorischen Kontext über diese Region Rumäniens zu bieten, wurde schließlich noch eine Exkursion in das nahe Suceava durchgeführt. Das erst vor wenigen Jahren neu eröffnete Bucovina-Museum gibt einen Überblick über die Geschichte der Region von der Steinzeit bis zur Revolution von 1989 – im klaren Kontrast zu den oftmals noch aus den 1970’ern stammenden Museen, die bis vor wenigen Jahren in Rumänien die Regel darstellten. In die bewegte Zeit der Moldau als Region zwischen Mitteleuropa und dem Osmanischen Reich führte der Besuch der ebenfalls neu rekonstruierten Festung von Suceava. In diesem Kontext durfte natürlich auch ein Ausflug zu einem der auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste stehenden Moldau-Klöster nicht fehlen, und so bekamen die Studierenden auf der Rückfahrt noch die Gelegenheit, sich das Kloster Voroneţ anzusehen, dessen Außenfassade detaillierte Malereien von Bibelszenen und von einem monumentalen jüngsten Gericht schmücken.

Dies alles führte dazu, das die Jungsemester in unserem Team einen mehr als intensiven Einblick in alle Facetten einer Archäologischen Kampagne bekamen – und hoffentlich wieder mitkommen wollen.

C. Mischka – der Blog von der Maßnahme auch auf Twitter unter #prospekt2022_2