Große Siedlung – Tiefe Löcher! Die Sommergrabung 2025 in Văculești/Rumänien

Und fertig ist die neueste 'Außenstelle' der FAU!
Und fertig ist die neueste 'Außenstelle' der FAU!

Immer neue Pläne machen – Sondageschnitte statt Megastructure!

Mais! Überall Mais! Und der wird erst im Oktober geerntet… Daher konnte die traditionelle Lehrgrabung der Jüngeren Urgeschichte dieses Jahr nicht in Stăuceni „Holm“ stattfinden. Die dort 2023 begonnene Erforschung der Cucuteni-zeitlichen Megastructure muss daher ein Jahr pausieren. Die Ausbildungsarbeit an der UFG-FAU pausiert allerdings nicht, und so wurde kurzfristig entschieden, die alljährliche Lehrgrabung, zum dritten Mal in Kooperation mit dem Historischen Museum Botoșani durchgeführt, auf den Fundplatz Văculești „La Prisăca“ zu verlegen.

Dieser Fundplatz wurde bereits im Sommer 2024 und im Frühjahr 2025 von uns geomagnetisch untersucht. Das Problem dabei: Es konnte noch kein Ende der Siedlung gefunden werden. Zudem: Die Feldbegehung im Frühjahr 2025 erbrachte nur recht indifferentes Fundmaterial – so grob Cucuteni B, vielleicht B2. Und schließlich: Für eine Kampagne macht es auch keinen Sinn, ein ganzes Haus aufzudecken. Daher der Plan: Auf den bereits geernteten Flächen werden Gruben ausgegraben, die sich jeweils einem Haus zuweisen lassen. Das so aus gesichertem Kontext gewonnenen Fundmaterial – im Idealfall auch Knochen und Holzkohle – kann dann zur genaueren Datierung und somit zur Rekonstruktion der Besiedlungsgeschichte herangezogen werden. Und wenn weitere Flächen geerntet werden, kann dann auch die Geomagnetik fortgesetzt werden. Alles in allem also eher eine „Harte Prospektion“ als eine „richtige“ Ausgrabung.

Wieder ein internationales Team

Wie auch schon in den Vorjahren fand die Ausgrabung in Zusammenarbeit mit zahreichen Kollegen und Kolleginnen und Institutionen aus Deutschland, Rumänien und der Tschechischen Republik statt. Aus Erlangen führten Prof. Dr. Doris Mischka und Dr. Carsten Mischka ein Team aus 9 Studierenden der Universitäten Erlangen, Mainz und Berlin an. Kooperationspartner vor Ort war das Muzeul de Istorie Botoşani, vertreten durch Dr. Adela Kovács und ihrer Mitarbeiter. Ebenfalls wieder wenigstens zeitweise mit dabei waren Dr. Constantin Aparaschivei vom Muzeul Bucovinei Suceava und Ondřej Klápa und Monika Kokeová vom Slezské zemské muzeum Opava.

Die Erosion überrascht. Durch ihr Fehlen…

Die erste Überraschung der Kampagne warf dann auch gleich alle Planungen wieder über den Haufen. Anders als anhand der Prospektionsergebnisse aus dem Frühjahr erwartet und aus Stăuceni vertraut, waren die anvisierten Gruben nicht durch Landwirtschaft und Erosion stark beeinträchtigt. Und erst recht standen sie nicht bereits direkt unter dem Pflughorizont an: Über einen halben Meter Oberboden – teilweiser schon voller Fundmaterial – galt es wegzuschaufeln, bis die Gruben überhaupt sichtbar wurden. Und dann reichten sie mit konstanter Boshaftigkeit oft auch noch bis 1,8 Meter unter die Oberfläche! Da war demnach deutlich mehr Schaufelarbeit angesagt als geplant.

Das Fundmaterial überrascht. Durch Menge und Qualität!

Der Lohn der harten Arbeit bestand aus großen Mengen Fundmaterial. Anders als im Megastructure-Befund von Stăuceni füllten sich schnell ganze Sedimentsäcke mit großen Keramikscherben – oftmals bemalt und ohne den sonst üblichen Kalksinter noch sehr gut erhalten! Dabei fehten natürlich weder die obligatorischen Statuettenfragmente – sei es Tier oder Mensch – noch die immer wieder begeisternden Tierprotomen an der Keramik. Diese wurden sogar an Cucuteni C – Keramik gefunden, einer ansonsten eher seltenen Fundgruppe, die aber parallel zu allen anderen Cucuteni-Stufen immer mal wieder in kleinen Mengen vorkommt.

Ebenfalls säckeweise konnten Knochen geborgen werden, darunter auch Reste eines Auerochsen oder Wisents. Auch hier war die Erhaltung sehr gut und nährt die Hoffnung auf gute archäozoologische Ergebnisse und gutes Probenmaterial für 14C-Datierungen.

Etwas rar machten sich die Steinartefakte, die im Frühjahr noch so zahlreich an der Oberfläche gefunden wurden. Zwar fanden sich immer wieder verhältnismäßig große Sichelklingen, Bohrer und ähnliche Wekzeuge, allerdings fehlten mit Kernen und kleineren Abschlägen klare Hinweise auf eine lokale Silexverarbeitung. Auch Felsgesteinwerkzeuge blieben selten, bestenfalls eine handvoll wurde gefunden. All dies wirft interessante Fragen über die Aktivitäten in den Häusern auf, die ihren Müll in den untersuchten Gruben entsorgten.

Die Siedlung überrascht. Durch ihre Größe!

Während die Testschnitte ein Nord-Süd-Transekt durch die Siedlung brachten, trieb das Team auch die geomagnetische Prospektion des Fundplatzes voran. Letztlich wurden alle freien Flächen, soweit nicht schon in den letzten Kampagnen geschehen, begangen. Das Problem dabei: Ein Ende der Siedlung zeichnete sich zunächst nicht ab. Auch auf Flächen, die eigentlich weit außerhalb der Siedlung liegen sollten, fanden sich noch Haus- und Grabenbefunde. Erst jenseits der Nationalstraße wurde schließlich die westliche Grenze des Fundplatzes erfasst – fast 1,5 Kilometer (!) entfernt von ihrem östlichen Ende.

Größe – Lage – Datierung: Rätsel über Rätsel!

Insgesamt haben wir es somit mit einer fast 54 Hektar großen, aus mehreren hundert Häusern bestehenden Siedlung der Kupferzeit zu tun. Bei einer durchschnittlichen Größe der Cucuteni-Siedlungen im Kreis Botosani von eher 8 als 10 Hektar bedeutet dies: Es ist eine der sogenannten „Megasites“, die teilweise sogar schon als erste Proto-Städte im Gespräch waren.

Das Problem, oder besser die Probleme: Nach gängiger Forschungsmeinung gibt es so große Cucuteni-Siedlungen in Rumänien nicht. Auch nicht in der Republik Moldau. Nur aus der Ukraine sind aus dem Trypillia-Gebiet der Cucuteni-Trypillia-Kultur, so große Siedlungen, die sogenannten „Megasites“ bekannt. In so hügeligem Gelände, verhältnismäßig nah an den Karpaten, sollten sie eigentlich nicht vorkommen.

Und wenn sie denn schon vorkommen: Bitte nicht so spät! In Cucuteni B2, am Ende der Cucuteni-Trypillia-Kultur sollte das Megasite-Phänomen schon wieder durch sein und die Menschen wieder verstreut in kleinen Siedlungen leben. Irgendetwas passt hier also an dem aktuellen Modell nicht so ganz richtig. Und vermutlich werden wir Jahre damit zu tun haben, das zu reparieren…

Ausbildung an vorderster Forschungsfront

Letztendlich wurden also an anderer Stelle als ursprünglich gedacht andere Dinge auf andere Art ausgegraben, als ursprünglich geplant und lieferten ein vollständig anderes Ergebnis als erwartet. Die (leider zu wenigen) Studierenden, die auf dieser Maßnahme dabei waren, lernten so aus erster Hand, wie spannend Archäologie sein kann, dass es in der Urgeschichtsforschung längst noch keine feststehenden Wahrheiten gibt und vor allem: Auch als Studierender kann man von Anfang an bei solchen (wenngleich vielleicht auch kleinen) Revolutionen der Forschung dabei sein und mitarbeiten! Und in manch einem Daheimgebliebenen werden die Berichte ihrer KomilitonInnen ja vielleicht doch noch den Wunsch auslösen, eine echte Archäologin oder echter Archäologe zu werden und mit auf die nächte Ausgrabung zu kommen.

Vielen Dank an alle Teilnehmer:

Adela Kovác, Alexandru Ciobanu, Alexandru Nicifor (Muzeul de Istorie Botoşani), Constantin Aparaschivei, Alexandru Kovác (Muzeul Bucovinei Suceava), Ondřej Klápa, Monika Kokeová (Slezské zemské muzeum Opava).

Das Team der UFG-FAU:

Doris Mischka, Carsten Mischka, Aurora Botsch, Alissa Dittes, Martin Gruber, Jan-Nicolai Hain, Ilya Koltunov, Jonas Möller, Hanne Schilmeier, Denis Sipos-Kulcar, Marc Utzelmann, Rajith Yoganantham.

C. Mischka